Die Ruhe vor dem Sturm

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Zwei Tage mit je 70 Minuten ruhigem Dauerlauf. Das ist wie Baden in 29 Grad warmem Wasser, Massiertwerden und Bekochtwerden zusammen. Urlaub. Entspannung. Laufen um des Spaßes willen. Aah. Ooh. Sommerfrische. Herrlich. Man könnte es so richtig genießen. So richtig. Wenn da nicht die menschliche Planung im Rahmen des Plans wäre. Das Schielen auf die darauf folgende Strafe macht das genussvolle Dösen zunichte.

Kann ich denn nicht einfach mal in den Tag hineinleben und schauen, was das Plänchen heute so mit mir vorhat? Aufwachen und entspannt oder gar gespannt das Türchen öffnen? Wie als kleiner Bub, der die Adventskalenderreihenfolge akribisch beachtet und jeden Tag aufs Neue ekstatische Freudenstürme erlebt? Das wäre was.

In erwachsener Zeit muss man sein Leben irgendwie koordinieren und dazu gehört ein Lebensplan. Mein Lebensplan besteht zur Zeit hauptsächlich aus dem Trainingsplan. Und da muss ich die Türchen schon ein paar Tage vorher öffnen. Zehn mal 1000 Meter in 3:30 ist hinter so einer Tür, 12 km im Marathontempo und 35 Kilometer LSD. Und noch einige andere Türchen erwarten mich, hinter denen der Mann mit dem Hammer steht. Der Mann, dem man lieber nur im Training begegnet.

Noch vier Wochen sind es bis zum Lauf der Läufe und die ganz harten Einheiten kommen jetzt. Da führt kein Weg dran vorbei. Toll. Ganz großes Kino. Aua im Sixpack. Gewitter, das zurück kommt mit doppelter Kraft. Hau drauf. Bis man Blut schmeckt. Warum tu ich mir das an? Da kräht doch kein Hahn danach. Der wurde nämlich vom Mann mit dem Hammer erschlagen.

Still ist’s in den letzten Wochen. Stille Nacht. Stiller Tag. Stiller Kampf. Allein. Nur erzählen kann man’s. Manche interessiert’s, viele schütteln den Kopf, die meisten interessiert es nicht. Ehrlich gesagt ist es auch nicht interessant. Außer für mich.

Schaffe ich es dieses Mal? Macht mir die Bequemlichkeit wieder einen Strich durch die Rechnung? Schlägt das Alter endlich richtig zu? Habe ich plötzlich keine Lust mehr und beende den Lauf bei Kilometer 23? Werde ich krank? Verletze ich mich? Übertrainiere ich? Bin ich zu früh topfit und baue wieder ab?

Ich bin gespannt, was hinter dem Türchen am 27. September wartet.

Nur 32 Kilometer?

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Es gibt Tage, da fragt man sich so etwas. Heute war so einer. Der Trainingsplan, den ich strengstens befolge, hat mir heute einen lockeren Lauf geschenkt. Zumindest für einen Sonntag. Nur 32 Kilometer langsamer Dauerlauf. Das war doch die vergangenen Sonntage auch so. Nur mit noch ein paar Steigerungen oder 3 Kilometern im Marathontempo am Schluss oder so. Oder mit Sturz. Heute war nichts verheerendes eingeplant und auch nichts ungeplantes passierte. So leicht können 32 Kilometer sein.

Locker flockig dahingejoggt und zack vorbei. Zwei Stunden und 33 Minuten, nur ein Regenguss und sonst nix? Langweilig. Tolle Landschaft da aufm Land. Und wer nutzt das? Ich. Sonst habe ich außer ein paar wenigen Vorgärtnern niemanden getroffen. In Berlin macht man sich immer Sorgen, ob man auch ausreichend aufs Klo gegangen ist vorher. Aufm Land ist das sowas von kein Problem, aber sowas von. Musste gehste. Supi. Nur müssen musste ich auch nicht heute. Also musste ich mir was einfallen lassen für den Zero Happening Run (ZHR).

Endbeschleunigung ist immer gut. Kann nie schaden. Also die letzten 6 Kilometer draufdrücken. 4:30 – 4:20. Tat auch nicht richtig weh. Nur gut. Plan übererfüllt. Dann kann ich bei den Intervallen wieder untererfüllen.

Laufen macht man allein

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Neidischen Blickes schaue ich oft Pärchen hinterher, die gemeinsam laufen. Das sieht so freundlich, liebe- und ruhevoll aus. Ja gut, ich habe das auch schonmal gemacht. Aber das ist dann eher eine gemeinsame Unternehmung als ernsthaftes Training. Und wir sind ja hier nicht zum Spaß. Es wird ernsthaft trainiert, die Leistung verbessert und nur notfalls mal regeneriert.

So und da kommt der Ball ins Spiel. Genauso wenig wie es zwei gleiche Menschen gibt, gibt es zwei gleiche Leistungsstadien. Jemanden zu finden, der genau gleich trainieren kann und will, ist fast unmöglich. Es geht beim Tempo um Sekunden pro Kilometer. 4:35 min/km ist etwas ganz anderes als 4:50 min/km. Da werden ganz andere Systeme trainiert. 4:35 km/min ist bei mir schon flotter Dauerlauf, noch gut im aeroben Bereich aber schon nah am Kraftausdauertraining, während 4:50 min/km noch ruhiger Dauerlauf ist. Im Extremfall käme ich im 4:35er Tempo etwa 60 Kilometer weit im 4:50er Tempo sicherlich 90. Im Extremfall machen also 15 Sekunden 30 Kilometer aus.

Ja, und dann gibt es noch die Tagesform. Manchmal fühlt man sich bei 4:35 min/km gerade mal aus dem Regenerationsbereich rausgerutscht, mal keucht man im gleichen Tempo wie ein Alien, der auf Sigourney Weaver trifft. Und dann, ja dann soll man sich noch auf jemand anderen einstellen? In trauter Zweisamkeit fröhlich parlierend nebeneinander her trainieren? Mit jemandem, der gerade zufällig in der beschissensten Form seines Lebens ist, ansonsten aber gelegentlich mal große Marathons gewinnt oder mit jemandem, der eigentlich nur bis 5 km läuft, weil alles andere Mord ist, aber gerade von einer Tarantel gestochen wurde? Oder mit der Freundin, die heimlich trainiert hat, weil sie es einem mal so richtig zeigen will? Das ist alles so wahrscheinlich, wie ein Fünfer im Lotto. Insofern läuft man am besten allein. Zumindest dann, wenn man trainieren will.

Man schreibt auch allein drüber. Das Drüberschreiben ist also wie eine Tasse Kaffee in Dresden in die Elbe zu gießen und zu erwarten, dass in Hamburg jemand sagt: „Wow, da hat in Dresden aber jemand eine interessante Mischung reingekippt.

Der Fall

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32 Kilometer sollen es sein. Mit ein paar Steigerungen am Schluss. Ja fragt mich denn auch mal jemand? Will ich jedem Sonntag den Sinn durch eine mörderische Laufrunde geben oder geht’s auch mal anders? Aufstehen, duschen, zwei Stunden frühstücken oder so?

Das wäre außerordentlich sinnvoll. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass man über eine Wurzel stolpert und auf den einzigen vierzig Metern mit Publikum derart auf die Fresse fliegt, dass einem neben einem aufgerissenen Knie noch eine lädierte Schulter und eine sehr schmerzende Hand bleibt, viel geringer. Man säße einfach nur beim Cappuccino und Croissant und überlegte, welcher See es zum Baden sein soll, anstatt mehrere dieser zum Baden sehr geeigneten laufend zu umrunden. Gut, beim Weg dorthin könnte man auch fallen, aber eher nicht im 4:45er Tempo. Wusch zack. So schnell kann man liegen. Wurzel wusch zack.

Kann auch anders ausgehen. Ich durfte aufstehen. Und weiterlaufen. So ein Hubschrauberflug hätte auch was. Vor allem müsste ich dann nicht morgen schon wieder laufen. Mit schmerzender Knie-Hand-Schulter. Wusch zack flapflap. Ich liebe Hubschrauber. Aber so im Nachhinein betrachtet ist es schon besser, die 32 Kilometer voll gemacht zu haben. Laufend.

Am Abend des Herrn tut dem zarten Läuferchen alles ein bisschen weh. Aber er darf weitermachen. Laufen bis der Arzt kommt. Also der, der sowieso da ist am 27. September. Der, den ich nicht brauche und hoffentlich auch niemand anderes.

Mit blutendem Knie sollen es dann noch fünf Steigerungen sein. Der ambitionierte Läufer fragt nicht sondern befolgt. Das ist Ehrensache. Aber auch irgendwie Hormonsache. Ab Kilometer 26 merkt man nicht mehr so viel. Bei Kilometer 41 haben mir mal zwei sehr gute Freunde quasi ins Gesicht gebrüllt. Nix. Gar nix. Auch im Nachhinein nix. Alles genauestens intellektuell rekonstruiert. Nix. Gar nix. Der nebenstehende Fremde meinte nur: „Der merkt nüschd mea!“ Selten so recht gehabt. Wür ick sajn.

Der Herr segne den Freitag

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Jetzt ist es soweit. Das Wettkampftempo geht. Drei Minuten und fünfundfünfzig Sekunden pro Kilometer.

Das sei flottes Marschtempo beim Militär. Mit Gepäck. Sagt Manfred. Der muss es wissen. Der war beim Militär. Gut fünfzehn Kilometer pro Stunde mit dreißig Kilo Gepäck. Das möchte ich sehen. Ich trainiere wie ein Berserker. Seit Monaten. Einhundertzwanzig Kilometer pro Woche. Und der Zeitsoldat rennt das nach dem Frühstück. Bis zum Mittagessen.

Ach so. Da war ja noch die Distanz. Zweiundvierzig Komma eins neun fünf mal drei Minuten und fünfundfünfzig Sekunden am Stück. Ohne Gepäck zwar aber auch ohne Pause. Dafür auch nach dem Frühstück und vor dem Mittagessen. So soll das sein. Am siebenundzwanzigsten September. Ohne Stiefel. Aber mit Schuhen. Soll ja Leute geben, die das ohne Schuhe machen. Ich zieh lieber welche an.

Heute waren es zweimal sieben Kilometer á drei Minuten und fünfundfünfzig Sekunden. Das ist hart. Aber es ging. Mit nur ein bisschen Atemnot. Ganz langsam steigt die Zuversicht, dass es doch möglich sein kann, zweiundvierzig Komma eins neun fünf mal drei Minuten und fünfundfünfzig Sekunden pro Kilometer am Stück zu laufen. Ist ja auch erst das zehnte Mal, dass ich das versuche.

Zehn mal und immer die gleichen Anfängergedanken. Gehen die auch mal weg? Bei Kindern sagt man, dass sie nur einmal auf die heiße Herdplatte fassen müssen und es dann für ihr Leben gelernt haben. Herdplatte gleich Aua. So einfach. Training gleich Marathon. Könnte so einfach sein. Ist es auch. Ist es nicht. Richtig trainiert, nicht krank, nicht verletzt, Styroporrollen traktiert, AOK-Übungen gemacht, Kasperletheater alias Koordinationsübungen absolviert, gesund gegessen, Wettkampfgewicht angehungert, kein Alkohol, viel und gut geschlafen und alles ist klar? Ne ne. So isses einfach nicht.

Da ist ja noch das Wetter. Der Körper. Die Psyche. Alles Gegenspieler. Potenziell. Ich trainiere auch, um die mit ins Boot zu holen. Also den Körper und den Geist. Das Wetter ist eh immer gut in Berlin. Mens sana in corpore sano. Dann klappt’s auch mit dem Wettkampf.

Herr, es ist wieder Abend.

Die Runde wird immer kürzer

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Ein Zeichen für: „Ich bin voll druff!“ ist, dass die Runden immer kürzer werden. Das liegt nicht daran, dass die Erde im Sommer austrocknet und schrumpft. Und das passiert schnell mit den Sandböden hier. In Berlin wird ja alles auf Sand gebaut. Also am Sand liegt es nicht. Ich laufe vermutlich schneller. Das ist wenigstens mal ein Erfolgserlebnis. Fett und faul bei minus 13 Grad Anfang Februar im Schneematsch, wenn man sich doch mal aufgerafft hat, zu laufen, nimmt die Runde mit allen Mikroabkürzungen 70 Minuten in Anspruch. Voll druff läuft man sie ohne Abkürzungen locker in 65 Minuten. Manchmal noch schneller, so dass noch ein kleiner Appendix im Park notwendig ist. Dort, wo das Gras vertrocknet ist, der Müll von den Raben verstreut und das restliche Grillfleisch von den Ratten verputzt wurde.

Ich frage mich dann immer, ob die 3 Minuten wirklich wichtig sind. Also beim Wettkampf nachher sind 3 Minuten ja Welten, aber hier so strebermäßig das Zeitpensum vollzumachen erscheint mir manchmal auch etwas albern. Fühlt sich halt gut an, den Plan erfüllt zu haben. Ich könnte auch wie in der DDR einfach 40 Minuten laufen und dann die rote Fahne hissen, aber wir sind ja hier jenseits des antikapitalistischen Schutzwalls. Mit einer roten Fahne gewinnt man keinen marktwirtschaftlichen Marathon. Da kommt raus, was man reinsteckt. Nicht mehr und nicht weniger. Also lauf, Du Sau und seien es nur 3 Minuten.

Es ist ja sicherlich auch etwas Psychologie in dem Ganzen. Habe ich davon eigentlich schonmal geschrieben? Wenn man schon beim Training dem Laissez-faire Einlass gewährt, wie sieht es denn dann im Wettbewerb aus? Die historische Mission der Läuferklasse besteht also darin, durch Trainingsfleiß den Schweinehund im Kopf zu töten oder zumindest zu lähmen. Das heißt: Planerfüllung nicht der Planerfüllung wegen, sondern des Schweinehundes wegen. Canis causa. Es heißt ja auch nicht Lauf, du Schwein oder gar lauf, du Hund.

Herr lass Abend werden.

Er will laufen

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Ja, soll er doch, antwortet der Wärterkollege meiner Lieblingswärterin und tut so, als ob er ihr Chef wäre. „Er will laufen“. Ja woher weiß die denn das? Und stimmt das überhaupt? Er wird laufen, aber will er das auch? Eher nein. Wir erinnern uns: es ist Warum-tu-ich-mir-das-an-Dienstag. Also hat der Wärterkollege, der so tut, als ob er Chef wäre, recht. Er soll laufen.

Und zwar 4 x 2000 Meter in je etwas über 7 Minuten mit 3 Minuten Pause dazwischen. Die Beine sind schwer von dem langen Sonntag und der verheerenden Endbeschleunigung. Das Training soll und muss hart sein, aber das? Mit Muskelkater in den harten Warum-tu-ich-mir-das-an-Dienstag? Intervalle mit Beinweh? Das ist es. Super. So machen wir weiter.

„Er will laufen.“ Neulich habe ich sie gefragt, ob sie Kaffee oder Tee trinkt. Bei ihrem Zigarettenkonsum hätte ich eher auf halbsüßen Rotkäppchen-Sekt schließen können. Aber den kann ich nicht kaufen. Ich werde ihr wenn überhaupt, mal eine Flaschengärung mitbringen. Tee oder Kaffee hat sie aber derart brüsk abgelehnt, dass ich vermute, die Compliance im Unternehmen Sportplatz ist ein unumstößliches Regelwerk. Ein Uli Höneß der Bayern. Ein Warren Buffet des Finanzmarktes. Ein World Marathon Major der Laufveranstaltungen.

Ich ackere mich also fleißig durch meinen Trainingsplan, morgen und übermorgen ist nur lockeres Laufen, bevor mich am Freitag wieder der Abend des Herrn erwartet. Herr-lass-Abend-werden-Freitag. Aber bis dahin genieße ich die Lass-mal-gut-sein-Tage und überlege mir, ob ich meiner Wärterin doch lieber Kaffee mitbringen soll.

Endbeschleunigung – Hommage an Herbert

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Klimax. Crescendo. Aua.

Hier muss ich mal dem großen Guru Herbert Steffny, den ich zutiefst verehre, etwas Latein-Nachhilfe geben. Crecendo-Lauf nennt er lange Läufe, die gegen Ende hin immer schneller werden. Nun weiß man doch, dass crescere eher wachsen heißt. Natürlich kann man wohlwollend erkennen, das crescere auch zunehmen (bloß nicht!), immer größer werden (gern!), sich mehren (bloß nicht!), steigen (wenn’s sein muss!), sich steigern (gern!) heißt. Doch warum um alles in der Welt bedient man sich nicht des Wortes „schneller werden“? Es gibt ein Fremdwort genau dafür. Auch als Musiker weiß man das. Und die sind sogar oft unsportlich. Accelere ergibt als Partizip Präsens Aktiv accelerans oder halt musikalisch italienisch: Accelerando. Es sind also Accelerando-Läufe, Herr Steffny, mein verehrter Lauf-Gott. Schon 1986 liefst du 2:11:17 beim Chicago-Marathon. Das ist unglaublich für einen Weißen zu der Zeit. Das ist richtig ernstzunehmende Weltspitze. Elite ohne Wenn und Aber. Sehr lange gab es keine Deutschen mehr, die überhaupt die 2:20 knacken konnten. Also. Es ist mir eine Ehre, dein Latein-Lehrer zu sein. Und das, obwohl mir mein nicht verehrter Lateinlehrer damals sicher zu Recht sagte, ich sei unfähig.

Accelerando. Schlechte Musiker wie ich beschleunigen immer dann, wenn es technisch anspruchslos ist oder paradoxerweise dann, wenn sie es auch im langsamen Tempo überhaupt nicht hinkriegen. Als Läufer muss man beschleunigen, wenn es am schwersten ist. Zumindest im Training. Um einen Reiz zu setzen. Um das Härteste des Harten zu trainieren. Um dann, wenn es nicht mehr geht, noch mehr geben zu können. Gegen den Willen sowieso, aber eigentlich auch gegen die Leistungsfähigkeit. Akku leer, Kohlenhydrate weg, Motivation zerstört. Alles aus. Vorbei. Aber nochmal richtig Gas geben.

27 Kilometer in der Hitze, mit nüchternem Magen, ohne zu trinken. Und dann 3 Kilometer im Wettkampftempo. Das ist der Deal. Alles schreit nach Aufhören. Hinlegen. Schlafen. Baden in kühlem Trinkwasser und nebenher eine Glucose-Infusion. Massage. Und vor allem: nicht mehr bewegen! In der Ruhe liegt die Kraft. Es geht eh nicht mehr.

Dass es doch noch geht soll hier bewiesen werden. Quod erat demonstrandum. Wie in Mahlers Auferstehungssinfonie. Über ein unglaublich langes bombastisch instrumentalisiertes Meisterstück hangelt man sich als Interpret oder Genießer, um am Schluss ein furioses Finale der Maximalitäten zu erfahren. Alle der gefühlt 438 Instrumente einschließlich Orgel auf allen Registern, Chor und was weiß ich noch alles donnern einem die Tränen in die Augen und ließen einen den Nachhall noch etwa 89 Sekunden genießen. Wäre da nicht der vorzeitige Klatscherguss.

Am Ende eher schneller. Dann wenn nix mehr geht, noch mehr geben. Das ist die Idee. Auferstehung. Darum geht es also. Lieber Herbert. Vielleicht hast du doch recht, wenn du es Crescendo nennst. Accelerando klingt hier wirklich zu banal. Schneller werden. Tss! Wir sollen den kleinen Tod trainieren. Das ist ja wohl das Mindeste!

Das Wettkampftempo ist zu schnell

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Ich frage mich immer, warum ich so ein fürchterlich schnelles Wettkampftempo gewählt habe. Es bestünde doch theoretisch die Möglichkeit, etwas langsamer zu laufen und trotzdem noch zu gewinnen. Gegen mich. Aber nein. Ich wähle etwa 15 km/h. Sieht gut aus. Ist man schneller im Ziel. Muss man nicht so lang auf der Strecke bleiben.  Zack und durch. So ist das am besten.

Doch fällt mir bei den sogenannten Kraftausdauereinheiten, bei denen man lernen soll, dieses Tempo über einen längeren Zeitraum durchzuhalten, auf, dass auch die kürzeren Zeiträume ganz schön lang sind. Wie um alles in der Welt soll ich jemals 42 Kilometer lang dieses Tempo durchhalten, wenn es schon auf 10 Kilometer kaum machbar ist?

Dienstage sind die Warum-tu-ich-mir-das-an-Tage, Freitage sind Herr-lass-Abend-werden-Tage. Einlaufen, Rauszögern, Dehnen, was kein Mensch mehr macht, seit mit Styropor wieder Geld verdient wird und dann los. Der erste Kilometer geht immer. Locker, etwas schneller, loofd. Supi. Doch nach drei Kilometern im geplanten Wettkampftempo kommt fürchterlich erdrückend die Erkenntnis, dass das auf 42 Kilometer keinesfalls zu schaffen ist. Platt nach 3 Kilometern. Psychoplatt. Das kann ja gar nichts werden. Viel zu anstrengend alles. Viel zu schnell und viel zu lang.

Doch oh Wunder. Was geschieht bei Kilometer vier? Der Kopf wälzt mal andere als die Hilfe-ich-will-kein-Läufer-mehr-sein-Gedanken. Fast schon aus Pflichtgefühl senke ich den Blick auf die Distanzanzeige und sehe, dass wie aus dem Nichts schon sechs Kilometer absolviert sind. Unglaublich, was Nicht-Konzentration alles bewirken kann. Denk an was anderes und es läuft wie von selbst. Na ja. Leider konnte ich es nicht verhindern, mit meinem Blick auf die Uhr auch die Geschwindigkeitsanzeige zu sehen. Die Gedanken sind frei, das Tempo auch. Es schwankt. Am liebsten in die Richtung langsam. Kraftausdauer. Ausdauer hab ich. Ausdauer, mich abzulenken. Fehlt nur die Kraft, trotzdem das Tempo zu halten.

Also Gas geben. Geht ja auch schneller vorbei, wenn man schneller läuft. Die Entfernung ist sprunghaft auf 8,5 Kilometer angestiegen, das Tempo nur etwa 10 Sekunden pro Kilometer zu langsam und das Ende naht. 10 Kilometer im geplanten Wettkampftempo. Erfahren und wissend erzähle ich allen Lauffreunden, die anfangen oder wieder anfangen zu laufen: „Das ist völlig normal!“ Wettkampftempo ist hart. Am Wettkampftag geht man völlig ausgeruht an den Start, ist euphorisiert und läuft das Tempo fast automatisch über die mehr als vierfache Distanz. Im Training ist das was ganz anderes. Oft hat man die Warum-tu-ich-mir-das-an-Dienstage und zwei „Regenerations“-Trainingstage mit je etwa 15 Kilometern in den Beinen und muss dann Wettkampf spielen. Das ist hart. Zigmal schon erlebt. Am Wettkampftag geht es plötzlich. Nicht leicht, aber es geht. Was du kaum über 10 Kilometer im Training schaffst, schaffst du plötzlich über die Wettkampfdistanz.

Trotzdem frage ich mich freitags immer und immer wieder das Gleiche. Wie soll das auf 42 Kilometer gehen? Irgendwann werde ich es mich nicht mehr fragen. Versprochen. Herr, lass Abend werden.

Erholung war letzte Woche

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Man denkt immer, so, fast geschafft. Jeder lange Lauf, der vorbei ist, bringt einen ein Stück näher an den Marathon, jedes Intervalltraining, das vorbei ist, macht es einem ein bisschen leichter und jede Tempoausdauereineit gibt einem die Souveränität bei Kilometer 36. Sind ja nur noch 7 Wochen. Das muss doch schon allmählich ins Tapering übergehen. Also mal bisschen runter vom Gas. Das Leben genießen.

Doch jeder gute Trainingsplan lässt einem wenig Zeit zum Durchatmen. Das muss so. Der Körper soll ja nicht abschlaffen, auch nicht nur den Status erhalten. Nein, er soll sich aufbauen. Stärker werden, schneller und härter.

Also muss man ihn fordern. Raus aus der Komfortzone. Es soll wehtun, sonst baut er ab, der schlaue Hund. Deswegen lässt die nächste harte Einheit auch nie lang auf sich warten. Und sie soll im Normalfall auch härter als die vorangegangenen sein. Intervalltraining oder Dienstag. Gleichbedeutend. Horror. Warum-tu-ich-mir-das-an-Tag. 3 Kilometer einlaufen. So langsam wie möglich, um den Horror hinauszuzögern. Dehnen, was keiner mehr macht, seit es  Nudelhölzer aus Styropor gibt. Wärterin bezirzen. Sich bekreuzigen: das machen Italiener beim Studium der Sicherheitskarte im Flugzeug. Und los geht’s.  8 x 1000m in je 3:25 sollen es sein. Es werden gut 100 Sekunden mehr auf alle gerechnet. Man soll nicht weniger Intervalle machen als im Plan stehen, im Notfall lieber „etwas Tempo rausnehmen“. Ich entscheide mich für den Notfall.

Sind auch erst 36 Stunden her, dass ich meinen langen Lauf beendet habe. Fehlen 8 Stunden Regeneration. Da darf ich das. Beim letzten geb ich nochmal Gas. Eigentlich hab ich also noch Kraft. War es doch wieder nur der Schweinehund.