Scheitern

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Ja, ich bin gescheitert. Mein Ziel habe ich deutlich verfehlt. Ich hatte einen Einbruch wie im Bilderbuch. Bei Kilometer 34 wollten die Beine nicht mehr, schlimm wurde es bei Kilometer 37 und ganz schlimm bei Kilometer 39. Der Rest war wie in Trance. Die Beine haben sich nicht mehr bewegt. Der Puls ging um 10 Schläge runter. Die Muskeln hatten keine Kohlenhydrate mehr. Das spräche alles für schlechtes Fettverbrennungstraining, also zu wenige langsame Läufe oder zu schnelle langsame Läufe. Im Training war aber nichts anders als im letzten Jahr. Ich war gesund, habe mich gut ernährt und das Training verlief sehr gut. Alle Helfer an der Strecke haben mich großartig und punktgenau versorgt.

Was war es? Ich habe keine Ahnung.

Ich bin enttäuscht und muss feststellen, dass trotz akkuratem, punktgenauem Training Ausrutscher möglich sind. Bei allem Wunsch nach Vorhersagbarkeit durch Erfahrung muss man merken, dass es sie nicht gibt, die Sicherheit. Das ist wohl das Dilemma im Leistungssport. Man trainiert auf einen Punkt hin und an diesem Punkt muss alles passen. Es gibt nur diesen Punkt. Keine zweite Chance. Friss oder stirb. Gestern bin ich gestorben.

Viele sagen, ich sei zu hart mit mir, ich habe eine gute Zeit erreicht und ich solle doch stolz auf mich sein. Ich verstehe, dass sie mich nicht verstehen. Es ist ja auch schwer. Natürlich sind zwei Stunden, einundfünfzig Minuten und einundvierzig Sekunden für die Marathonstrecke ganz in Ordnung. Unter den ersten achthundert überhaupt und einundachtzigster in der Altersgruppe sind ein gutes Ergebnis. Aber für dieses Ergebnis habe ich nicht trainiert. Es ist mir zu wenig, der Aufwand für dieses Ergebnis war zu hoch, das Einbrechen am Ende der Strecke ein Schlag ins Gesicht.

Es sind sechs Minuten, die ich am Ende nach einem harten Rennen verschenken musste. Ich konnte nichts tun. Nicht mit Gewalt, nicht mit Willen, nicht mit Hilfe. Ich musste mein Scheitern ertragen.

Dennoch hatte ich ganz gute Laune, konnte akzeptieren, dass es nicht geklappt hat, spürte die höhere Gewalt. Witzchen machend beendete ich den Lauf, feierte mit den Mitläufern und den Helfern. Man lernt wohl auch, mit Niederlagen umzugehen, je länger man diesen Wahnsinn betreibt. Ich muss nicht vom Sport leben. Darum geht es auch nicht. Ziele, die man erreichen will und die man nicht erreicht sind immer noch Ziele. Dieselben, die es waren, keine neuen. Vielleicht muss ich mir ein neues Ziel stecken. 2:40.

Alle, die mich trösten wollen, sind auch gescheitert, mussten scheitern. Wirklich verstehen kann ich es wohl nur selbst. Das ist einfach so, das macht den Trost nicht schlecht oder falsch. Er hätte nicht besser sein können.

Ein Ziel ist auch: Demut lernen, weil man eben nicht alles kontrollieren kann.

Tik Tak

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Gäbe es noch Uhren, die ein Uhrwerk haben, tikte und takte es jetzt sehr laut. Frühstück ist seit 45 Minuten abgeschlossen, Kurznachrichten sind verschickt, Laufkleidung ist angelegt und es wird sogar schon hell.

Geschlafen habe ich nicht. Trotzdem wirke ich erholt. Das Wetter ist kaiserhaft, bei ohnehin stabiler Wetterlage ist der Marathonsonntag noch stabiler und schöner und besser und toller und sonniger. Keine Ausreden. Fast keine Zipperlein, kein Halskratzen, kein Augenjucken. Lediglich der fehlende Schlaf könnte herhalten.

Gleich gehe ich los. Dann gibt es kein Zurück. Die Minuten vor dem Start kenne ich in- und auswendig. Mich kann eigentlich nichts überraschen. Und doch bin ich aufgeregt, als gäbe es was zu verlieren.

Lauf, du Sau.

Die Ruhe vor dem Sturm

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Es ist Samstag. Nicht irgendein Samstag. Es ist DER Samstag. Der Sonnabend des Herrn. Wir haben ein letztes Mal geschlafen, die kommende Nacht wird eine Überflüssige sein. (Es ist wie immer Kaiserwetter, der Sommer in Berlin findet an ein paar Tagen Anfang Mai und Ende September statt, dazwischen ist es kalt und regnerisch.)

DER Samstag also. Der Marathonläufer erwacht früh. Sehr früh. Ist ja irgendwie klar, wenn er nach einem trainingsfreien Tag kurz vor zehn das Bett aufsucht. Der Rhythmus ist schon auf das Rennen gepolt. Morgen muss das Frühstück um viertel nach sechs abgeschlossen sein. Ruhe ist die bestimmende Gemütsform heute. Die Gäste der Helferbedankungsfeier morgen müssen sich mit vorbereitetem Essen zufrieden geben, gekocht wird heute nicht, gekocht wurde gestern. Heute wird geruht. Nicht viel gehen, nicht viel stehen, viel liegen, ein wenig sitzen und ein wenig laufen. Ja. 20 Minuten sollen es sein. Langsam. Laaaaaaaangsam. Bloß keine Geschwindigkeit. Außer bei den Steigerungen  am Schluss. Fünf mal kurz sprinten. 100 Meter. Das dient dazu, die Muskeln am Rückbau zu hindern. Der Mensch ist ja wie ein Hund auf Energiesparen und Anpassung eingerichtet. Werden die hochgezüchteten Muskeln nicht benutzt, ziehen sie sich sofort zurück. Ins Nichts. Weg. Braucht man nicht mehr. Macht man weg. Um das zu verhindern und gleichzeitig maximale Erholung der noch nicht verschwundenen Laufmuskeln zu erreichen, bedient man sich dieser Tricks. Man suggeriert den Fasern Arbeit ohne wirklich Arbeit zu fordern. 20 Minuten aufwärmen und dann fünfmal kurz, ganz kurz reizen. Sprinten. Sieht dämlich aus, ist aber ein guter Trick. Der Puls geht kurz hoch und schnell wieder runter. Die im behäbigen Abbaumodus befindlichen Muskelfaserzellen erschrecken dann. Ups. Kommando zurück, wir werden ja doch gebraucht. Abbau sofort stoppen! Alarmstufe rot.Der Körper an sich gähnt. Schließlich ist er ganz anderes gewohnt und erwartet auch ganz anderes. Zu Recht. Aber das kommt erst morgen.

Wir sind jetzt nur noch zwei kleine Läuferlein. Die dritte im Bunde kann wegen einer Sehnen- oder Muskelverletzung am Knie nicht laufen. Es ist nur ein kleines Aua, das im normalen Alltag fast keine Bedeutung hätte, für einen Marathonlauf hat es eine große. Es ist das dümmste und blödeste, was passieren kann. Drei Monate harte, konsequente und auch entbehrungsreiche Vorbereitung auf diesen einen Tag. Dann passiert es bei einer der letzten Trainingseinheiten: klock! Aus, Maus, Applaus. Das war’s. Geht nicht gibt’s! PECH heißt: Pause, Eis, Compression, Hochlagern.

Das Suchen nach anderen Marathonläufen noch in diesem Herbst war Hirngespinst, jetzt ist es Realität. Wir laufen für dich mit. Du hilfst uns an der Strecke. Wir revanchieren uns. In Jena, Leipzig, Halle oder Schwerin.

 

Angerichtet

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Letztes Training ist immer Dienstags vor dem X. Also das letzte, was man noch im erweiterten Sinn als Training bezeichnen kann. 6 Kilometer im Marathon-Renntempo. Das kommt einem jetzt nicht extrem hart vor, soll es auch nicht. Auch wenn hier wie immer die Frage schmerzhaft mitläuft: „Wie um Himmels Willen, soll ich dieses Tempo mehr als siebenmal am Stück durchhalten?“ Aber das kennen wir ja schon. Immer wieder. Die Frage nervt mich schon, bevor ich sie denke.

Heute habe ich auch die Strecke mehrfach gekreuzt. Der Herbst hat sein blaues Band auf die Straße gemalt. 3 Streifen aus Herzogenaurach für die Läufer dieser Welt erstrahlen auf den auf Kriegsgröße aufgeblähten Verkehrswegen der Hauptstadt. Wem da nicht mulmig wird, läuft nicht Marathon. Die Route de la torture ist angerichtet. Für Autofahrer sind die Streifen Synonym für Verkehrschaos. Die lockere Laufrunde blockiert die gesamte Innenstadt durch alle Bezirke, außer Spandau vielleicht. Ein Tor, wer sich ernsthaft darüber aufregt. Wer an dem Tag Auto fahren will, muss sehr gut planen.

Unser Lauftrio, also das Trio derer, die die Geister riefen, wackelt leider. Ein verletzungsbedingter Ausfall scheint möglich, aber vorbei ist es erst, wenn es vorbei ist. Das ist der größte Schaden, der einem seit einem halben Jahr trainierenden Athleten zugefügt werden kann. „Macht doch nichts, läufste halt nächstes Jahr… “ Pustekuchen. Das können nur echte Läufer verstehen, die aber richtig. Es ist tatsächlich dramatisch. Es versaut einem die Laune über Tage, man zweifelt, ob man überhaupt jemals wieder laufen will. Enttäuschung pur. Frust. Depression.

Wir drücken alle Daumen und schauen schonmal mit einem halben Auge auf noch anstehende Marathon-Termine im Herbst.

Es ist vorbei

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Das fällt schwer. Das tut weh. Das muss man hinnehmen. Eine Leere ist da. Man fühlt sich haltlos. Was soll jetzt werden?

Während andere glücklich ins Wochenende aufbrechen, sich verabreden, laufen gehen, eine Radtour machen oder eine Ausstellung besuchen, sitze ich hier und zittere.

Nein, das habe ich nicht verdient. Zwar geht es vielen anderen auch  so, aber mich trifft es doch am meisten, wenn es mich trifft. Mich würde interessieren, wie die anderen mit dem Unvermeidbaren umgehen. Welche Strategien entwickeln sie, um mit dem Loch klarzukommen. Welche Verdrängungsmechanismen wirken, welche Ablenkung hilft?

Es ist der Sad Tuesday, der Black Friday, der Montag und der letzte Tag des Urlaubs in einem. Es ist die Hölle. Lasst mich doch bitte laufen, nicht die Mäuse an der Wand. Viel. Immer. Schnell. Ich verspreche, dass ich nicht jammern werde. Nie wieder. Nur noch einmal, morgen höre ich auf.

Wahrscheinlich können den Verlust nur Menschen nachvollziehen, denen Ähnliches widerfahren ist. Monatelanges Konsumieren, Fokussierung, Ausklammern alles anderen, effektive Konzentration auf nur diesen einen Punkt, den Tag X.
Und dann ist es vorbei. Plötzlich, unerwartet und hart trifft es dich. Wie ein kalter Entzug. Die Sucht ist groß, der Verzicht kaum möglich, aber es gibt keine Alternative. Alles andere gefährdet die Gesundheit und den Erfolg am Tag X.

Tapering ist der Turkey des Laufsüchtigen.

Schlüssel-Mittwoch

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Noch zehn Tage bis X. Zeit für ein nettes Training. Wir nehmen uns nochmals das 10-km-Tempo vor, also dreieinhalb Minuten pro Kilometer. Dreieinhalb Minuten sind ganz schön lang. Man kann in dreieinhalb Minuten zwei Stücke Kuchen essen, aus Weißmehl, Butter und Zucker. Man kann auch warm duschen. Man kann sechs Kilometer auf der Autobahn fahren oder zwölf, je nach Auto. Man kann ein kleines Bier trinken oder einen Mondrian anschauen in dreieinhalb Minuten. Man kann auch eine Schumann-Romanze spielen. Oder man kann einen Kilometer rennen. Ich renne heute einen Kilometer. Und zwei Kilometer. Und drei Kilometer. Und zwei Kilometer. Und einen Kilometer. In dreieinhalb Minuten. In sieben Minuten. In zehneinhalb Minuten. In sieben Minuten. In dreieinhalb Minuten. Man kann in dieser Zeit in Ägypten Pyramiden anschauen und hoffen, keinem Bombenanschlag zum Opfer zu fallen. Oder man macht bei ähnlichen Temperaturen das letzte harte Pyramidentraining in Deutschland und hofft, keinem Hitzschlag zum Opfer zu fallen.

Ägypten in Deutschland. Schlüsseltraining für den Tag X. Das ist heute. Ein Tor, wer das nicht ernst nimmt. Heute nochmal richtig was für harte Mädchen und Jungs, dann geht es endlich ins lang ersehnte Tapering. Verjüngung. Decrescendo. Zuspitzung. Auf-den-Punkt-bringen. Am Tag X wird die Bombe gezündet und die knallt hoffentlich richtig. Bei windstillem, trockenem 17-Grad-Kaiserwetter.

Der letzte harte Reiz für die gequälten Muskeln. Auf dass sie nicht erschlaffen. „Quäl dich du Sau!“ Das steht immer noch, leicht verblasst, auf vielen Pässen der Alpen. Jan Ulrichs Bruder motivierte damit seinen Bruder. Wer wirklich ernsthaft und systematisch trainiert und an Wettkämpfen teilnimmt, der weiß, warum das motiviert.

Mein Bruder schreibt mir das leider nicht auf die beißend nach frischem Gummi riechende Bahn. Aber ich bin ganz sicher: Er denkt es so laut, dass ich es lesen kann. Also. Nicht jammern, sondern zünden. Dreieinhalb Minuten sind lang. Drei mal dreieinhalb Minuten sind fünfmal so lang. Wer das versteht, weiß, was Training bedeutet. Herr-lass-Abend-werden- und Warum-tu-ich-mir-das-an-Mittwoch in einem. Auf geht’s. Der Schlüssel für den Tag X.

Heute suchen mindestens 40.000 Menschen weltweit den Schlüssel. Ich taufe diesen Mittwoch, den vorletzten Mittwoch vor dem schnellsten Marathon der Welt, auf den Namen: Schlüssel-Mittwoch.

Early Bird

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Wenn man früh durch Deutschland fliegen will, um ein programmintensives Familienfest miterleben zu dürfen, muss man als Läufer früh aufstehen. Also sehr früh. So früh, dass auch nach dem Training keine Dämmerung zu erkennen ist. Die Partygesellschaft denkt entweder, man sei völlig wahnsinnig (womit sie gegebenenfalls  gar nicht so daneben liegt) oder jubelt einem  zu und fragt: „How much did you do?“ Sitzen die doch tatsächlich 55 Minuten an der gleichen Stelle mitten auf dem Gehweg zwischen halb vier und halb fünf. Großstadt, ick liebe dir.

55 Minuten lockerer Dauerlauf mit fünf Steigerungen anschließend. Von drei Uhr dreißig bis vier Uhr dreißig. Morgens. Das ist auch mal ganz nett. Die Standardrunde im Dunklen. Wobei – dunkel ist anders. Selbst der tödlich gefährliche Tiergarten hat nachts recht ordentliche Lichtverschmutzung. So erschrecke ich mich auch nur selten. Nur wenn es mal wirklich dunkel ist und eines der 26.385 Karnickel im Unterholz raschelt. Ich kenne die Strecke im Schlaf und das kommt mir jetzt zugute. Eigentlich könnte ich auch schlafen während des Laufens. Schlafen mit einem Durchschnittspuls von 144. Das wäre mal was. Dann müsste man für das Training gar nicht so früh erwachen.

Jetzt sitze ich im Early Bird nach Süden und freue mich auf die Familie und den Testwettkampf im Ländle am Sonntag. Da kann ich ausschlafen. Bis sechs.

Er läuft

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Seit drei Jahren baue ich nun an der Form. Ich entschloss ich mich, mal eine Frischzellenkur zu testen. Geboren vor etlichen Jahren, sich seither immer fortbewegend auch in unwegsamem Gelände und nie wirklich gepflegt, ist es an der Zeit gewesen. Natürlich, wir sind ja auch zum Laufen da. Und zum Arbeiten. Und zum Sich-Fortbewegen. Seit Jahrzehnten. Raus und los. Immer. Deswegen habe ich das Uhrwerk mal auseinandergenommen, die Einzelteile geprüft und repariert und setze sie nun langsam wieder zusammen. Das ist trotz des Alters ein ganz schön aufwändiges Unterfangen. Oder wegen des Alters?

Ja, so ab 45 geht es bergab mit der Leistung, es sei denn, man kann noch mehr trainieren, noch mehr Einzelsysteme tunen, noch mehr optimieren. Die Reize münden jedoch im Alter öfter in Muskelkater als in Leistungssteigerung und dann schreibt „Die Zeit“ auch noch, dass mindestens 50% des sportlichen Erfolgs genetisch vorbestimmt sind. Die anderen 50% werden von der 10.000 Stunden-Regel ausgemacht. 10 Jahre am Stück mindestens 19 Stunden Training in der Woche sind nötig, um an die Spitze zu kommen. Also gut. Ich gehe 10 Jahre nach Kenia trainieren. Dann wird das schon. Aber eben nur 50%. Der Rest muss mit Gendoping gemacht werden. Da ist man schon recht weit. Wenn ich dann aus Kenia zurückkomme, kriege ich ein paar Spritzen und laufe 1:49 auf den Marathon. Mit knapp 60. Schöne neue Welt.

Ob der alte Mann vom Anfang der Geschichte auch Gene hat, wage ich zu bezweifeln. Bei Maschinen kann man das Altern jedoch aufhalten, indem man beliebig Systeme austauscht, erneuert oder repariert. Da kann man auch mit der 1.000 Stunden-Regel viel bewirken. Da gibt es keine Dopingtests. Geboren 1965, im Jahr 2016 wieder fast wie neu. Seit drei Jahren werden die Gene gedopt. Jetzt läuft er. Wie am ersten Tag. Der Land Rover.

 

Militär

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Was zum Teufel mache ich da? Wo steht der Befehl? Ich bin ja schließlich nicht umsonst beim Militär vergessen worden. Ich bin es nicht gewohnt, Befehle zu empfangen. Aber als was sonst ist der Trainingsplan im Moment bitte zu verstehen? Zehn mal 1000 Meter im 10-km-Tempo, dazwischen drei Minuten traben! Okay. 45 Minuten lockerer Dauerlauf, danach leichtes Krafttraining! Juti. 12 km Marathontempo, davor drei Kilometer einlaufen, danach 3 Kilometer auslaufen! Zu Befehl. 65 Minuten ruhiger Dauerlauf! Gern. 35 Kilometer langsamer Dauerlauf! Wird gemacht. 70 Minuten ruhiger Dauerlauf! Selbstverständlich. 15 mal 400 Meter in 80 Sekunden mit je 90 Sekunden Pause dazwischen! Äh, wann? In einem halben Jahr? Ach jetzt gleich. Okay.

Kein Bitte. Kein Danke.

Wo ist der Pausenbefehlshaber? Wer sagt: lass mal gut sein, du brauchst mal eine Pause? Dieser Kommandant hat gerade Urlaub. Also. Wir befinden uns 22 Tage vor dem Tag X. Da wird noch trainiert. Aber richtig. Kraftausdauer nach Tempo vor langem Lauf. Ja, wir leben im 21. Jahrhundert und wissen, dass Regeneration wichtig ist, genauso wie abwechslungsreiches Training. Die Abwechslung habe ich, die Regeneration hingegen regeneriert gerade. Die Belastungsintensität wird durch Verkürzung der Regenerationszeiten erhöht. Der Reizgenerator muss sich halt was einfallen lassen. Ein so ausbelasteter Körper lässt sich nicht so einfach hinterm Ofen hervorlocken. Da muss es schon mal etwas mehr Drama sein. Physiodrama. Belastung mit dem Holzhammer. Wenn eine Einheit allein nicht mehr reicht, muss die nächste halt schnell darauf folgen. Schneller als die Regenerationspolizei erlaubt. Belastung durch Intensitätsverdichung.

Das ist die Zeit, in der manche Körper die Notbremse und sich in Krankheit zurück ziehen. Also die andern Körper. Die ganz anderen. Ich habe seit 5 Tagen Muskelkater. Das reicht. Mal sehen, wie ich mich nach 35 Kilometern mit Muskelkater fühle. Die Notbremse als Damokles-Schwert. Sie baumelt bedrohlich locker. Noch hält die Plombe. Ich mach ja schon, Herr General.